Schlagwortarchiv für: David O’Leary


geschrieben von Norman E.


Ja, auch ich gehöre zu der ‚Sportschau-am-Sonntag-berichtet-vom-englischen-Fußball’-Generation. Das war Ende der Achtziger. Zu der Zeit mischte ein Hamburger Traditionsverein mit seinem staubigem Millerntor gerade kräftig die Bundesliga auf. Und ich mischte jedes Wochenende mit – ganz nach dem Motto ‚Support gegen den Abstieg’. Und eine der wahrscheinlich ersten internationalen Fanfreundschaften befand sich in der Entstehung. Nicht zuletzt durch Reiseberichte im Fanzine ‚Millerntor Roar’ entwickelte sich zwischen den Fans des FC St. Pauli und Celtic Glasgow eine innige Verbindung, die bis heute Bestand hat. Die Faszination eines grünweißen stimmgewaltigen Supports durfte ich später während der UEFA-Cup Spiele in Köln und Dortmund erleben und sie packte auch mich. Allerdings hing ich ja bereits 1989 sonntags gegen 18.00 Uhr vor der holzumkleideten Flimmerkiste, um das Herzschlagfinale in der Football League zu verfolgen– ‚It’s up for grabs now!’ und die Analysen von Tony Woodcock brachten ein Flair der scheinbar unerreichbaren englischen Atmosphäre in unser Wohnzimmer.

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Im Jahre 1993 am 17. Mai war es dann soweit. Ich ging zu einem Heimspiel der Gunners. Und es sollte nicht der einzige 17. Mai bleiben, den ich mit Arsenal verbrachte.

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Meine Freundin und ich begaben uns also im Mai ’93 zu einem 6tägigen Aufenthalt nach London, fußballtechnisch nur ausgerüstet mit unseren Totenkopfpullis. Als wir unser B&B  betraten, lief auf Kleinbildschirm  am Empfang gerade das FA-Cup Finale zwischen Arsenal und Sheffield Wednesday, bzw. dessen erster Teil. Da das Spiel nach Verlängerung mit einem sehr zähen 1-1 zu Ende ging, sollte es 5 Tage später zum Replay kommen. Wir hatten englischen Fußball eigentlich eher nicht in unsere Sightseeing-Pläne aufgenommen. Zumal die Saison ja schon vorbei war. ‚Aber wieso eigentlich nicht Wembley?’, dachten wir uns spontan. Woher aber Tickets bekommen? Der Tipp, dass man bei den Zeitungs- und Souvenirhändlern immer fündig würde, entpuppte sich als Mythos. Und das Angebot des Zeitungshändlers direkt am Big Ben, Tickets für einen 3stelligen Betrag besorgen zu können, lehnten wir dankend ab. Also fuhren wir unter der Woche lieber in Richtung Highbury um dort unser Glück zu versuchen. Bereits auf dem Weg zum Stadion überholten uns einige Autos mit Arsenal-Fans und am Stadion schockte uns eine unfassbar lange Schlange vor den Tickercountern. Die traditionelle Warteschlange vor der Tube in der 85. Minute eines Heimspiels war nichts dagegen. Wir sahen unsere Chancen auf dem Nullpunkt und gingen wir erst einmal zum Stöbern in den Arsenal-Shop am Clock End. Dort erfuhren wir, dass es noch Left Over-Tickets für das Replay am kommenden Morgen ab 9.30 Uhr geben würde. Wenn wir so um 6.00 Uhr da wären, hätten wir gute Chancen. Ja, sicher…na gut, dann war eben ‚früh ins Bett gehen’ angesagt. Aber weshalb waren dann am heutigen Abend in N5 noch so viele Menschen unterwegs?  Die Antwort war so einfach wie auch überraschend. Der frischgebackene und erste Meister der Premier League Manchester United gab sich die Ehre, ein Testimonial gegen Arsenal zu bestreiten, und zwar das ‚David O’Leary Farewell Match’. Der irische National- und Rekordspieler bei Arsenal sollte in seiner letzten Saison für die Gunners mit einem Abschiedsspiel entsprechend gewürdigt werden. Bis heute hält O’Leary mit insgesamt 722 Einsätzen den einsamen Vereinsrekord. Verdient hatte er es sich also. Aber zwei Tage nach dem FA Cup Final Teil 1 und vier Tage vor dem FA Cup Final Teil 2 tatsächlich noch ein Testspiel? Tja, man muss eben Prioritäten setzen.

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Tatsächlich ergatterten wir noch 2 Tickets für 10 anstatt 4 Pfund und das Spiel bot alles, was man sich wünscht: ein ‚leistungsgerechtes’ 4-4, einen beeindruckenden Kader des Champions, viele amüsante wie auch emotionale Momente und nicht zuletzt ein Tor von O’Leary himself. Und trotzdem war im Nachhinein etwas anderes das ganz Besondere bei diesem Stadionbesuch. Ich meine den Moment, als wir das Arsenal Stadium betraten und im Clock End Platz nahmen bzw. einfach stehen blieben. Das Clock End war zu diesem Zeitpunkt nämlich noch eine Stehplatztribüne, die bis an den East und West Stand heranreichte. Die Blöcke waren durch massive Zäune getrennt, über die heute wohl niemand mehr freiwillig  drübersteigen würde. Vom Millerntor kannte ich es nicht anders. Aber hier im Highbury sollte es das letzte Spiel mit Stehplätzen sein. Die North Bank stand kurz vor der Fertigstellung als reine Sitzplatztribüne. Sie war noch von der berüchtigten, viel zu klein geratenen Holzwand verdeckt, auf der die zukünftige Tribüne als Gemälde den Eindruck eines vollen Stadions vermitteln sollte. Dass zunächst fast nur hellhäutige Zuschauer abgebildet waren, hatte bekanntlich für einige Unruhe und Retusche gesorgt. Auch die Werbung für die überteuerten Bonds stieß auf Unmut, der in einem relativ erfolgreichen Widerstand der Fanszene mündete. Die Auswirkungen des Taylor Reports waren deutlich spürbar und das Spiel daher mit 22,117 Zuschauern so gut wie ausverkauft. Verhältnisse wie am Millerntor möchte man meinen. Mitnichten, wenn man bedenkt, wer sich da gerade vor einem auf dem Platz befand, und dass es keinen Zaun zwischen uns und dem Spielfeld gab. Ach ja, ein gewisser Ryan Giggs war auch schon dabei (und hat sich damals schon nicht den Nacken ausrasiert). Als Andenken wurde sich noch schnell das Matchprogramm besorgt. Am Abend vor unserem Rückflug wurde dann noch 119 Minuten gebangt und gezittert, ehe Andy Linighan per Kopf für die Erlösung und den 7. Titel für O’Leary mit Arsenal an dessen letztem Spieltag für die Gunners sorgte. Für eine fußballfrei geplante Woche eine ziemliche Gratwanderung, die mich so schnell nicht losließ.
Die Zuneigung für den Club resultierte u.a. in einigen Berichten in verschiedenen Fanzines und in der Gründung des Fanclubs ‚Sankt Pauli Gunners’, der auf Schalke sogar den 5. Platz bei der Deutschen Fanclubmeisterschaft erreichte. Der Fanclub ermöglichte es uns auch, regelmäßig eine ordentliche Anzahl an Karten aus London zu erhalten. Das Internet bestand damals übrigens aus Anschreiben, Briefmarke und Verrechnungscheck.  Zudem ergab sich bald die Chance, in die sogenannte Ticket Registration Scheme aufgenommen zu werden, dem Vorläufer der heutigen Silver Membership.

Mein erster richtiger Kontakt zu Arsenal Germany entstand übrigens erst beim CL-Spiel im Schneetreiben von München mit einer handfesten Schneeballschlacht im Olympiastadion.  Man kannte sich vorher halt so vom sehen (und dem FCSP).
Und plötzlich war auch der 17. Mai wieder da. Auf den Tag genau 13 Jahre nach meinem ersten Mal flogen wir gemeinsam am 17. Mai 2006 nach Paris und mussten eine bittere Niederlage gegen Barcelona miterleben. Die Ereignisse in den Katakomben des Stade de France nach Abpfiff retteten allerdings den gebrauchten Abend, nicht wahr Mr. Davis?!

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Im vergangenen Jahr, ebenfalls am 17. Mai und dieses mal 21 Jahre nach meinem ersten Spiel, ging es für mich wieder nach London. Zum FA Cup Finale gegen Hull City. Das Ergebnis ist allen gut bekannt, wobei ich dieses mal glücklicherweise nicht bis zur 119 Minute warten musste. Vielmehr waren es 9 ganze Jahre auf den nächsten Titel. Abgerundet wurde das erfolgreiche Wochenende von einer tollen Parade bei grandiosem Wetter. Aber „dieser eine Moment“, den gab es schon während des Spiels gegen Hull in Wembley. In der Halbzeitpause kam ich mit meinen Platznachbarn ins Gespräch. Wir amüsierten uns über die älteren Herrschaften mit Ihrem lang gezogenen ‚Sit dooooown!’ und über die Stewards, die kläglich versuchten, dieser Forderung während eines Pokalfinales nachzukommen. Als ich erwähnte, dass ich aus Hamburg angereist war, riefen meine Platznachbarn gleich mal Ihre Verwandten aus Hamburg Eppendorf an! Und die erste Frage, die vom anderen Ende der Leitung an mich gestellt wurde, war dieses typische „HSV oder St. Pauli?“… Natürlich wollten meine Londoner Nachbarn auch wissen, wie ich denn zu Arsenal gekommen sei. Also erzählte ich die Geschichte vom 17. Mai 1993. Das Pärchen neben mir guckte sich lachend an und antwortete mit einem breiten Grinsen „ Oh, das David O’Leary Farewell Match? Das war auch unser erstes Spiel von Arsenal!“

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Der ein oder andere von euch hat es bereits auf Facebook mitbekommen. Wir starten eine neue Blogreihe, die den illustren Namen „Mein erstes Mal (mit Arsenal)“ trägt. Ihr ALLE (!) seid dazu aufgerufen, uns Eure persönliche Geschichte zu erzählen. Wie ihr Euch in den AFC verliebt und was ihr dafür aufgeopfert habt, wann ihr das erste Mal das Highbury/Ashburton Grove aufgesucht habt. Herzblutgeschichten eben (Einsendungen bitte an marc@arsenalfc.de).
Zur Premiere haben wir einen besonderen Post ausgegraben. Auf unserer alten Seite gab es im Forum die „User-Vorstellung“. Der gute Jenenser, ein wahrer Herzblut-Fan seit Kindestagen – trotz eisernem Vorhang (!) – nimmt uns mit auf eine Reise ins Michael Thomas-Wonderland. Aber lest selbst:

(Ehre wem Ehre gebührt – die Idee und Konzeption geht zurück auf unseren Döbelner (Ker)Sten.
Danke für den hervorragenden Einwurf!)


 

Geschrieben von Jenenser Gunner (05.10.2011)


 

Jenenser Überall

Bei mir war auch ein wenig Zufall dabei. Aufgewachsen in der Tätärä und in erster Linie Jena-Fan, war als Kind mein erster Wimpel einer ausländischen Mannschaft jener der Gunners. Es war ein Sonderwimpel zum Double `71, den mein Vater von irgendjemandem hatte, der bei Arsenals EC-Spiel in Magdeburg war. Das Teil hängt heute noch über meinem Schreibtisch. Und manchmal überkommt mich der beängstigende Gedanke, was gewesen wäre, wenn der Wimpel Lillywhite gewesen wäre….na, ganz schnell wegschieben. Jedenfalls war es ein Kleinod und da ich – spätestens seit 86 – ohnehin für den englischen Fußball schwärmte, war Arsenal mein Verein auf internationaler Ebene.

Fussballwoche (Fuwo)

Fussballwoche (Fuwo)

Arsenal Lok. Leipzig

Arsenal Magdeburg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In unserer heutigen totalen Informationsgesellschaft kaum noch vorstellbar, aber das „Verfolgen“ meines englischen Lieblingsvereins beschränkte sich in den internet- und videotextlosen 80ern ausschließlich auf das montägliche Durchblättern der „Fuwo“, jener fachlich so hervorragenden Fußballzeitung der DDR. Man freute sich über Siege, ärgerte sich über Niederlagen, ließ sich die so herrlich klingenden Namen der Gegnerschaft wie Nottingham Forest oder Derby County auf der Zunge zergehen und versuchte sich die in nüchterner Druckerschwärze abgebildeten Namen wie O`Leary oder Merson in natura vorzustellen. Nur ganz ganz selten hatte man das Glück, daß auf den glücklicherweise empfangbaren Westsendern ARD oder ZDF am Sonntagnachmittag ein Spiel aus England zusammengefasst wurde, und so war es auch im Mai 1989. Ich wußte natürlich um die rechnerische Konstellation vor dem letzten Spiel in Anfield, und als Michael Thomas das Ding reinmachte, war kein Halten mehr in der von den Eltern gottlob verlassenen Wohnung in Jena-Lobeda, und die Couchgarnitur vom VEB Polstermöbel Kamenz wurde durch artistische Luftsprünge arg strapaziert.

Nur sechs Monate später geschah das Unfassbare. Aufgewachsen in dem Bewußtsein, angesichts des eisernen Vorhangs Arsenal niemals live in Highbury sehen zu können, fiel plötzlich die Mauer und die Welt stand offen. Im Sommer 1991 machte ich mich als damals 17jähriger auf ins gelobte Land und sah mein erstes Gunners-Spiel. 2:1 gegen Manchester City (mit Niall Quinn) nach 0:1-Rückstand, Alan Smith traf, ich sah Rocastle, Dixon, Limpar, Merson und diesen Tony Adams, der mich noch so viele Jahre begeistern sollte. Und ich weiß, wie noch auf der Fähre von Dover nach Oostende die Fangesänge nicht aus meinem Kopf weichen wollten. Spätestens seit diesem Tag war nichts mehr wie es war und es folgten unzählige Spiele meiner Gunners in England und allen möglichen Ländern Europas.

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So hat jeder seine Fangeschichte, und je länger diese ist, je mehr Täler man durchwandert hat, von Real Saragossa bis Stade de France, desto entspannter nimmt man auch Phasen wie die jetzige hin. Der Liebe zum Verein kann so etwas nie irgend einen Hauch anhaben. Nur wenn der Club seine Seele verlöre, die Kommerzialisierung das bisherige Maß noch deutlich übersteigende Ausmaße annähme, dann droht Gefahr für das „Fan-Dasein“.

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