Von Herbert Chapman zu Arsene Wenger 5/5 (2)

Was haben Huddersfield Town und Arsene Wenger gemeinsam?

Beide haben jeweils mehr Meistertitel als T#####ham (je 3)!

Huddersfield holte alle seine Titel (3 x Meister, 1 x FA-Cup) in den 1920er-Jahren. Die waren damals schlicht das Bayern der englischen Liga. Stark gemacht hat sie ihr Trainer, ein gewisser Herbert Chapman. Spamnnenderweise hat sich dieser Chapman inmitten der ganzen Erfolge dazu entschlossen, auf folgende Anzeige eines bis dahin eher unbekannten, total erfolglosen und ständig im Abstiegskampf befindlichen Vereins aus Nordlondon zu antworten:

Das war 1925, er hat den Job bekommen, Huddersfield hat sein Mojo verloren und Chapman hat Arsenal nicht nur richtig umgekrempelt, sondern auch die ersten Erfolge gebracht: 1927 war man zum ersten Mal im Pokalfinale (und legte gewissermaßen den Blueprint für viele wichtige Arsenal-Spiele: 0-1 verloren, gegen Cardiff, weil der Torwart sich den Ball quasi selbst reingeworfen hat), 1930 hat man den Cup dann gewonnen, 1931 war man Meister (als erster Verein aus Südengland), 1933 auch. In der Folgesaison ist Chapman im Winter plötzlich an einer Lungenentzündung gestorben, sein Co-Trainer, George Allison, hat das Team zum Titel geführt und in den Folgejahren noch drei weitere Titel geholt. Es war die große Zeit von Arsenal, an die man jahrzehntelang nicht ansatzweise rankam.

Das wir hier heute, fern von London, uns für die Gunners interessieren und ihr das hier lest, ist aktuell ganz sicher auch Arsene Wenger zu verdanken, der Arsenal mit vergleichbaren Erfolgen wieder in die Erfolgsspur gebracht hat, primär aber auf jeden Fall Herbert Chapman. Der ist damals mit seinen Visionen nicht zum Arzt gegangen, sondern hat einen verschlafenen Verein aus London (das damals absolut nicht das Fußballmekka war) zu einem modernen und eben auch erfolgreichen Topverein umgebaut. Angefangen mit neuen Trainingsmethoden und vermeintlich revolutionären taktischen Aufstellungen und Teamzusammenstellungen hat er auch sonst Spuren hinterlassen: Rückennummern oder Flutlicht wären ohne ihn erst viel später auf die Insel gekommen. Er hat auch das Umfeld mobilisiert und es sogar hingekriegt, die Behörden davon zu überzeugen, die nahe U-Bahnstation (Gillespie Road) in ´Arsenal´ umzubenennen. Ohne den Mann gäbe es das Arsenal, was wir kennen, schlicht nicht!

Ihren ersten Titel holten Chapman und Arsenal 1930 im FA-Cup mit einem 2-0 gegen … Huddersfield Town.

Einen ähnlichen Einfluß auf die Entwicklung vom Arsenal Football Club hat seither nur Arsene Wenger gehabt, der ebenso kam, sah und siegte. Ebenfalls mit neuen Trainingsmethoden (man beachte die jetzt bekannten ersten Trainingsfotos, wo die englischen Haudegen die Athletik/Gelenkigkeit dieses französischen Brillenträgers bestaunen), interessanten Teamzusammenstellungen und vor allem einer auf der Insel nie gesehenen Spielphilosophie drehte er den damals auch eher verschnarcht herkommenden Club auf links.

Arsene Wenger hat jetzt knapp 22 Jahre für Arsenal gearbeitet – passenderweise hatte der Club seit Gründung (1886) genau 22 Trainer. In 16% der Zeit war AW davon der Coach, 25% aller Arsenal-Spieler haben unter Wenger gespielt und der Titelanteil von AW bei Arsenal beträgt 40%. Kannste mal sehen … es war nicht alles Gold, sicher, gerade zuletzt. Dieses ist seine schlechteste Saison, aber auch da gab es noch ein Pokalfinale, ein europäisches Halbfinale und am Ende Platz 6, seine schlechteste Platzierung ever. Zum Vergleich: Chapman wurde mal 14., Allison 13., Whittaker 12., Mee 17., Neill 16. oder Graham 12. – dass das jetzt Meckern auf hohem Niveau ist, liegt daran, dass Arsene Wenger Arsenal konstant im oberen Bereich etabliert und den Club letztendlich zu einer globalen Marke gemacht hat, der eine Identität hat, die er AW verdankt. Daher reden wir jetzt auch eher über Allegri als Nachfolger als über Eddie Howe (o.ä.).

Und jetzt ist er also da – der letzte Tag, das letzte Spiel von Arsene Wenger bei Arsenal. Ein historischer Tag. Und es ist irgendwie so unglaublich passend, dass dieses Spiel ausgerechnet bei Huddersfield Town stattfindet. Dieser Brückenschlag in unserer Geschichte zu Herbert Chapman ist einfach faszinierend und die Romantik in dieser Geschichte sauge ich als Oldschooler gerne auf.

Huddersfield hat seit der goldenen Zeit damals nie wieder was gerissen und ist Anfang der 70er abgestiegen und erst jetzt wieder, dank David Wagner, oben. Absteigen können sie nicht mehr, weil sie zuletzt mal eben bei City und bei Chelsea nicht verloren haben. Die können es also locker angehen und wer weiß, vielleicht langt es ja für uns zum ersten Auswärtspunkt 2018 …

Town hat schon angekündigt, dass sie Arsene Wenger selbst auch ehren werden vor dem Spiel. Große Geste – das Spiel ist sicher auch deswegen schon sehenswert, weil es eine einzigartige Feierstimmung im Stadion geben wird. Man könnte platt sagen: ein Fußballfest. Ah well, so be it. Es sind die allerletzten 90 Minuten von und für Arsene Wenger, die Mannschaft wird nochmal alles geben (sic.. naja, der Einsatz hat ja auch in Leicester gestimmt ..), der Gegner haut nicht komplett dagegen (es ist ja nicht Stoke … das ist natürlich das Highlight der Saison – die Orks sind weg!) – das sollte ein würdiger Abschluß werden!

Egal, ob man für oder gegen Wenger war oder ist – dies ist ein gravierender Einschnitt für Arsenal. Wir sind uns wohl alle einig, dass dieser Schritt nötig ist, aber es geht auch ein unfassbares Stück Arsenal-Geschichte zuende. Das kann man auch anerkennen und der mit Abstand größte Teil der Arsenal-Follower macht das auch (und die realen Fans im Stadion haben da letzte Woche auch ein Zeichen gesetzt). Die übrig gebliebenen Hater werden wohl immer haten, es wird jetzt halt gegen den Wenger Love-In gepestet und die Dummheit aller anderen. Irritierenderweise werden sich aber schon neue Opfer gesucht: allen voran Mesut Özil, der in einer Form beleidigt wird, als hätte er eigenhändig 12.000 Hundebabys zersägt und erschreckenderweise auch Mikel Arteta – da reicht das Gerücht, er könnte als Coach zu Arsenal zurückkommen … ach … haters gonna hate, klar, aber ähnlich wie mit den Vollpfosten beim HSV, wünschte man sich, solche dummen Kinder hätten keinen Internetzugang mehr und würden auf ewig verschwinden …

Yo, morgen beginnt die Zukunft, zumindest die von Arsenal, aber heute ist nochmal ein Tag für Semtimentalitäten. Ein würdiger Ort, ein würdiger Gegner, ein hoffentlich gutes Spiel mit dem richtigen Ergebnis – und dann der Abschied von Arsene Wenger. Da werden bei den meisten so oder so die Augen nicht zwingend trocken bleiben …

Merci, Arsene!

 

 

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