Ich hasse es. Ich hasse es, dieses Team verlieren zu sehen, und es immer wieder verlieren zu sehen, hasse ich erst Recht. Die Berechenbarkeit dieser Niederlage ist frustrierend und ich will gar nicht erst wissen, wie es im Gästeblock aussah (der mal wieder großartige Arbeit geleistet hat – eine Schande, dass das Team das nicht zurückgezahlt hat). Diese Saison war wirklich keine Freude. Ab November gab es fast nur noch Arbeitssiege, dazu kommen einige schmerzhafte Arbeitsunentschieden und Arbeitsniederlagen. Was wir aber in München gesehen haben, das war keine Arbeitsniederlage. Das war eine Kapitulation. Die erste Halbzeit war in Ordnung. Niemand kann erwarten, ohne Gegentor aus der Allianz-Arena herauszumarschieren. Nach Alexis‘ fantastischem Tor sah es sogar so aus, als könnten wir wenigstens noch einmal das Netz flattern lassen, aber die beiden Chancen von Xhaka und Özil wurden versemmelt. Ich will jetzt gar keine Fehleranalyse betreiben, dafür bin ich taktisch nicht bewandt genug. Es reicht zu sagen, dass die zweite Halbzeit schrecklich war.
Wie jetzt weiter? Ganz Twitter schreit nach Arsénes Rücktritt, denn, seien wir realistisch, er wird nicht gefeuert werden. Das ist auch gut so, denn was er für den Club getan hat, ist unfassbar und ein Rauswurf, zu diesem Zeitpunkt der Saison auch total unrealisierbar, würde einen großen Schatten darauf werfen. Nie darf vergessen werden, dass er Arsenal mit den Titeln um die Jahrtausendwende und mit dem Stadion in die moderne Fußball-Ära geführt hat. Und wie schrecklich diese Niederlagen gegen Bayern, Chelsea, Manchester City auch waren: Er schafft es, uns konstant, Jahr für Jahr, in die Champions League und dort durch die Gruppenphase zu steuern. Das ist nicht besonders interessant oder begeisternd, aber doch beeindruckend. Vor allem ist es für Arsenal sehr gut, denn nur ein Club in der Champions League (oder mit unfassbar viel Geld, wie Manchester United) kann die besten Spieler und die besten Talente anziehen. Was Arséne Wenger tut, ist wichtig für den Club. Wir stagnieren, ja. Aber wir stagnieren auf einem extrem hohen Niveau. Sollte Wenger den Vertrag also unterschreiben, dann heißt das wahrscheinlich weiter Top 4, Achtelfinale, vielleicht ein FA-Cup. Nicht schlecht, aber auch wirklich nicht das, wonach es uns verlangt. Es ist nicht die Premier League oder – noch besser – Champions League. Wenger wird wohl keine davon wieder gewinnen.
Die Möglichkeit besteht, dass Wenger den Zwei-Jahres-Vertrag, der wohl bei ihm auf dem Tisch liegt, nicht unterschreiben wird. Das wäre aber, aller Frustration zum Trotz, ein Fehler. Wie vorbereitet ist Arsenal, gute drei Monate vor dem Ende der Saison, darauf, dass Arséne den Vertrag nicht unterschreibt? Gar nicht. Der Vorstand ist wohl an Hasenhüttl herangetreten, um etwaiges Interesse bei ihm festzustellen. In den Medien kursieren auch immer wieder ein paar Namen, das ist aber wohl ähnlich zu sehen wie der Bericht, Arsenal sei an Antoine Griezmann dran. Außerdem: Wenger macht im Club fast alles. Die Transfers gehen über ihn, er trainiert die Mannschaft, er setzt Taktiken fest. Das ist bei kaum einem anderen großen Club so. Wenger ist der Letzte einer aussterbenden Art. Einen neuen Trainer ranzubekommen reicht also nicht. Wir brauchen eine Art Sportdirektor, wahrscheinlich andere Coaches. Der Vorstand muss verjüngt werden, am besten mit Leuten, die sich im Fußball auskennen. Ich bezweifle stark, dass Ivan Gazidis, geschweige denn Silent Stan, wirklich einen Plan haben, wen sie in irgendeinem dieser Bereiche bei Arsenal haben wollen. Ohne eine Struktur, die Arséne Wenger ersetzt, geht es aber nicht. Ohne eine Struktur kann es unschwer zum Kollaps kommen, ich würde das Konzept gern „Liverpool“ nennen. Wir behalten unsere Geschichte, wir behalten unsere Gesänge, aber wirkliche Chancen auf den Titel werden wir auch ohne Wenger dann nicht haben. Erst wenn geklärt ist, welche Gruppe von Personen Wenger ersetzt, sollten wir darüber nachdenken, den Franzosen gehen zu lassen. Auch wenn Arséne gesagt hat, dass er bei der Auswahl seines Nachfolgers kein Mitspracherecht haben will, sollte er helfen, diese Entscheidungen zu treffen. Er liebt Arsenal und was auch immer man über die Entwicklung seiner Taktiken sagen möchte, er hat Ahnung vom Geschäft. Wenn der Club es wirklich schafft, in diesen drei Monaten diese Struktur wenigstens ansatzweise aufzubauen, wäre es die richtige Entscheidung von Wenger, sich zurückzuziehen. Wenn nicht, glaube ich, dass die für uns schmerzhafte und frustrierende Entscheidung, den Vertrag zu unterschreiben, die richtige wäre.
Wann auch immer Wenger geht, er wird vermisst werden. Seine augenzwinkernden Pressekonferenzen, seine Interviews, die Art, wie er bei offensichtlich richtigen Entscheidungen den vierten Offiziellen anbrüllt, seine Tollpatschigkeit, wie er seine Spieler immer verteidigen wird und die tiefe Traurigkeit in seinem Blick, wenn wir verlieren. Arséne hat in einem Interview mit L’Equipe mal gesagt: „The philosophical definition of happiness is a match between what you want and what you have.“ Was Arsenal-Fans wollen, ist Alles. Was Arsenal-Fans haben, ist sehr viel. Gebt ihnen Zeit, um diese Lücke zu überbrücken.
Jojo Waack