Seid doch mal romantisch! Bisher keine Bewertungen

von Jojo Waack

“Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn gebe, so romantisiere ich es.”
So hat Novalis schon um 1800 das Dasein eines Fußballfans geschildert. Vielleicht nicht absichtlich (schließlich begann der Fußball ja erst so richtig 1886), aber doch sehr treffend. Denn ganz rational betrachtet, ist es nicht sehr sinnvoll, 22 Männern zu zusehen, wie sie einem Ball hinterherjagen. Der Sinn wird dem Spiel nur von uns Fans gegeben, weil wir unser Team lieben und uns mit ihm identifizieren.

“When you start supporting a football club you don’t support it because of the trophies, or a player, or history, you support it because you found yourself somewhere there; found a place where you belong.” hat Dennis Bergkamp dazu gesagt. Warum sollten wir also, wenn wir aus ­für Nicht­-Fans nicht nachvollziehbaren Gründen angefangen haben, ein Team zu unterstützen, plötzlich die ganze Zeit über realistisch sein? Ich habe viele am Anfang der Saison sagen hören: “Sei doch mal realistisch, wie sollen wir mit diesem Team die Liga gewinnen?” Aber wer hat Arsenal ‘89 in Anfield zugetraut, mit zwei Toren Vorsprung zu gewinnen? Wer hat Arsenal im August 2003 zugetraut, die folgenden neun Monate kein einziges Ligaspiel zu verlieren? Wer hat Thierry Henry zugetraut, nachdem er von Juventus ausgemustert wurde, Arsenals Rekordtorschütze zu werden? Wir sind Fans! Wir müssen nicht realistisch sein! Der ganze Punkt darin, Fan eines Vereins zu sein, ist doch, sich nicht von Nebensächlichkeiten wie Siegen oder Pokalen ablenken zu lassen, denn gäbe es dann noch Menschen, die tatsächlich Blackpool oder den AFC Wimbledon unterstützen?

Das beste Beispiel dafür ist Portsmouth. Pompey ist in den letzten fünf Jahren von der Premier League in die Football League 2 abgestürzt und hat keine Aussicht auf eine baldige Rückkehr in die höchste Spielklasse Englands, geschweige denn auf den FA Cup oder ähnliches. Und trotzdem kamen durchschnittlich 15 000 Fans zu den Heimspielen im Fratton Park. Der Club wurde nach der finanziellen und sportlichen Talfahrt sogar von Fans übernommen.

Arsenal hat einen der besten Torhüter Europas, eines der besten Innenverteidigerpaare der Premier League, den vielleicht besten Linksverteidiger der Liga und einen Rechtsverteidiger, der sich mit jedem Spiel defensiv verbessert und offensiv im letzten halben Jahr sowohl dem Linksverteidiger von Liverpool als auch dem Linksverteidiger von Manchester United Alpträume bereitet hat. Davon abgesehen spielt auch noch die beste #10 der Welt für uns und Alexis Sanchez hat Uniteds Rechtsverteidiger dermaßen zerstört, dass er bis heute im Umkleideraum für die Auswärtsmannschaft im Emirates sitzt und durchgehend “macht, dass es aufhört” murmelt.

Wir sind zwei Punkte vom Tabellenführer entfernt. Es sind noch 30 Spiele zu spielen. Und das in einer Saison in der West Ham Arsenal und Liverpool auswärts geschlagen, aber zu Hause gegen Leicester City und Bournemouth verloren hat. In einer Saison, in der Leicester City in der Liga am längsten ungeschlagen geblieben ist. In einer Saison in der Jamie Vardy die meisten Tore erzielt hat, obwohl er erst vor drei Jahren zu einem höherklassigen Team gewechselt ist. In einer Saison, in der ein José­ Mourinho­ Team 16. ist und mehr Tore kassiert hat als der gerade erst aufgestiegene AFC Bournemouth, der ein Stadion hat, das gerade einmal 11.700 Leute fasst. In dieser Saison, und in dieser Liga, ist alles möglich. Also seid nicht realistisch, denn Fußball ist nicht realistisch. Seid doch mal romantisch!

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